Das
abenteuerliche Karaganda
ISBN: 9788771701746
*** Publiziert von BoD - Books on Demand - im Deutschland Mai 2015 ***
Auswahl kapitel vom
fantasy
buch: Das
abenteuerliche
Karaganda
31. Kapitel
Als die erste Meldung gegeben war, gab es keinen Weg
zurück. Die Führenden unter den Arten entfalteten große
Bemühungen, das überleben ihrer eigenen Art zu sichern.. Das
hatte nicht nur mit dem bevorstehenden Krieg zu tun. Sie rüsteten
sich für alle eventuellen Möglichkeiten.
Auszug aus Spys Erinnerungen an die Zeit der
Gemeinschaft.
Zip flog mit einem Sausen durch den Wald, im flimmernden Licht des
Spiels der Sonne durch die Kronen der Buchen. Hunderte von Wespen der
Wespenflotte flogen in einem Keil hinter ihm in der Luft. Sie
gebrauchten alle ihre Sinne, auf der Suche nach ihr. Es war eine
geraume Zeit vergangen, seit sie und ihr Gefolge Akorn verlassen
hatten. Jetzt hatte er beschlossen, sie zu finden und nachzusehen, wie
sie zurechtgekommen war.
Er hatte gemeint zu wissen, wo er suchen mußte, aber wie sich
zeigte, hatte es zu nichts geführt. So war es mit jungen
Ehrwürdigen Müttern. Sie taten nie das, was man von ihnen
erwartete, denn sie wollten ihre Selbständigkeit zeigen, indem sie
anders handelten, als geplant war.
Noch war er nicht beunruhigt. Als sie Akorn verlassen hatte, hatte sie
ein zahlreiches Gefolge dabei, eine ganz beträchtliche Stärke
für ihre Maßstäbe. So, wie er es sah, hatte sie nichts
zu befürchten.
Sie suchten einige Zeit im Norden.
Sie drangen durch den Luftraum über Blaubeerland. Genau wie
über Brombeerland fühlten sie eine schwache Erregung bei dem
reizendem Duft, der wie eine lockende Wolke über diesem Ort hing.
Und auf einmal wußte er, daß sie sich hier niedergelassen
hatte.
Einen Augenblick später entdeckten sie die ersten Individuen aus
ihrer Behausung. Während sie sich näherten, wurden es mehr
und mehr.
Es war eine Folge seiner Umsicht, daß er entschieden hatte, nur
eine begrenzte Truppe anzuführen, diesen Morgen. Denn er
wußte, daß sie sie willkommen heißen und wie
Gäste behandeln würde, und er wußte, daß sie sie
so gut sie vermochte bewirten würde - denn gerade dadurch konnte
sie ihm zeigen, wie gut sie das Leben geführt hatte, das die
Ehrwürdige Mutter ihr geschenkt hatte. Aber ihre Behausung war
jung, und ihre Arbeiter und Krieger waren unerfahren. Sie hatten
unzweifelhaft eine begrenzte Menge Futter - und Zip wollte nicht,
daß sie den kommenden Winter hungern mußten, nur weil sie
Eindruck auf ihn machen mußte.
Er entdeckte die Behausung. Sie saß wie festgekeilt in der Krone
eines großen, dornigen Weißdorns - an einer Stelle, wo der
Stamm sich teilte. Er fühlte Stolz bei dem Anblick, denn der
Platz, den sie gewählt hatte, war mit Sorgfalt gewählt. Zip
dachte, daß er es die ganze Zeit gewußt hatte, genau von da
an, als sie Akorn verlassen hatte und in die weite Welt hinausgezogen
war.
Seine Gedanken streiften schnell die Erinnerung an seine eigene Mutter.
Es gab ihm einen Stich im Herzen, an sie zu denken. Er brauchte viel
Kraft, um die Erinnerung an sie zu verdrängen, während er auf
dem Flugfeld landete, vor ihrer Behausung.
Die Wachen standen vor der öffnung mit den Kiefern zu ihm gewandt.
Sie waren ihm gegenüber nicht feindlich gesinnt, aber sie hatten
noch nie vorher Besuch aus dem Herzen der Wespenflotte in Akorn
bekommen, und sie wußten nicht, wie sie reagieren sollten.
Zip krabbelte auf sie zu, während seine Truppe in der Luft
über dem Flugfeld blieb.
" Ich bin Kapitän Zip von der Wespenflotte," begann er. " Ich bin
von der großen Mutter in Akorn zu Euch gekommen, um Euch zu
grüßen und ihre Zufriedenheit damit auszudrücken, was
ihr geleistet habt."
Die Wachen sahen mißtrauisch erst ihn und dann einander an.
Es war eine große Behausung. Zip wunderte sich, wie sie all dies
in der kurzen Zeit geschafft hatte, die sie zur Verfügung hatte.
" Wir werden die Ehrwürdige Mutter grüßen," sagte einer
der Wächter.
" Ich wünsche, sie zu treffen," sagte Zip. Er sprach ruhig, aber
bestimmt zu ihnen, denn er wollte, daß sie wußten,
daß man über seine Wünsche nicht diskutierte.
" Ich weiß nicht..." sagte der Wächter unsicher. "Frag sie,
ob sie mich empfangen möchte," befahl Zip. " Sie versprach mir
einmal vor langer Zeit ihre Freundschaft. Frag sie, ob sie es immer
noch tut."
Der Wächter nickte und krabbelte durch einen Gang fort.
Zip wartete nicht recht lange. Die Wache kehrte mit einer herzlichen
Einladung der Ehrwürdigen Mutter zurück, und Zips kleine
Truppe wurde in den Vorratskammern nach allen Regeln der Kunst
bewirtet.
Das Herz ihrer Behausung war eine vollständige Kopie von Akorns
Zentrum. Das mußte an ihren Erfahrungen liegen, denen, die sie in
ihren ererbten Erinnerungen von hunderten von früheren
Generationen hatte, dachte Zip. Es beeindruckte ihn, der Gedanke an all
diese Weisheit und all diese Erinnerungen, die ihr die Klugheit einer
Ehrwürdigen Mutter verliehen. Er betrachtete sie mit Ehrfurcht,
während er durch die Nische in ihre Säle ging. Sie war soviel
jünger als er, und doch war er jetzt der Unwissende, wo sie
erwachsen und alten Sinnes geworden war. Sie lag auf ihrer
Erhöhung aus Moos und Blättern, so wie alle Ehrwürdigen
Mütter es vor ihr getan hatten. Als er hineinkrabbelte,
beobachtete sie ihn. Die Eier quollen weiter aus ihrem Hinterteil, und
die Drohnen arbeiteten verbissen daran, sie zu den Brutkammern zu
bringen.
" Ich habe darauf gewartet, dich wiederzusehen," sagte sie mit ihrer
zarten Stimme.
Er krabbelte ganz zu ihr hin und befühlte sie. Sie zitterte ganz
schwach und seufzte leise.
" Sie haben es gut gemacht," begann Zip. " Und der Ort, den Sie
gewählt haben, um die Behausung zu gründen ist mit Klugheit
ausgewählt." " Ich wählte sie aus, und wählte sie doch
nicht selbst," antwortete sie. " Als ich das erste Mal hierher kam,
fühlte ich, den Ort früher schon einmal gesehen zu haben."
Sie dachte einen Augenblick nach, bevor sie weitersprach. " Es ist
schon früher einmal eine Behausung hier an dieser Stelle gewesen.
Eine große Behausung, die die Basis vieler tausend Individuen war
- aber das ist lange her."
Zip sah sie an, ohne zu antworten.
" Erzähl mir von meiner Mutter," bat sie.
" Es ist viel geschehen, in der Zeit, die vergangen ist," begann Zip.
Er wußte nicht genau, wie er ihr das Schicksal ihrer Mutter
erklären sollte. " Es ist die Wahrheit, die ich wissen
möchte," flüsterte sie.
" Es ist eine neue Ehrwürdige Mutter nach Akorn gekommen," sagte
Zip.
" Was geschah mit meiner Mutter?" fragte sie.
" Sie legte nicht viele Eier," erklärte Zip. " Zuletzt legte sie
gar keine."
" Und dann?" wollte sie wissen.
" Dann geschah es , daß die junge Mutter die Wände ihrer
Kammer durchbrach, und als niemand sie aufhielt, war ihr Ziel die
Ehrwürdige Mutter in Akorns Zentrum." Zip zögerte einen
Augenblick. " Sie tötete unsere Mutter und nahm ihren Platz ein.
Unsere Mutter ist bei Zarg, im großen Universum im `Blanken
Ding`. Das hat die Mutter der großen Kriegerameisen in Grünn
mir erzählt."
Die junge Mutter schauderte bei seinem Bericht. Er befühlte und
beruhigte sie. " Wie ist sie, die neue Mutter von Akorn?" " Eine junge
und schöne Mutter wie Sie. Sie ist körperlich und geistig
stark und legt viele Eier. Sie ist die Zukunft der Wespenflotte."
"Sie - und ich sind die Zukunft!" sagte sie hart.
" Ja, natürlich," stammelte Zip. " Es war nicht meine Absicht, Sie
zu beleidigen, Mutter."
Sie sah ihn forschend an und entspannte sich langsam wieder. "
Laß mich dir von meiner Behausung erzählen," piepte sie. "
Ich habe sie `Tjörn`genannt. Akorn und Tjörn sollen Ecksteine
unserer Welt sein."
Zip nickte. " Und Grünn..." flüsterte er vorsichtig.
"Ja - und Grünn..."
Sie betrachteten einander, ohne daß einer von ihnen sprach. Die
Drohnen arbeiteten, wie sie es die ganze Zeit über getan hatten.
" Jemand hat in die Zukunft gesehen," sagte Zip." Sie haben einen
großen Krieg vorausgesagt, der kommen wird. Er wird die
größte Herausforderung der Gemeinschaft sein, seit ihrer
Gründung vor langer Zeit. Deshalb komme ich heute zu dir, meine
Mutter. Denn es ist wichtig, daß wir uns Ihrer Freundschaft
versichern und Ihres Versprechens der Treue, wegen der Gefahren, die
sich bis jetzt nur schwach im verwischten Nebel der Zukunft gezeigt
haben."
" Du kannst deinen Führern in Eichberg sagen, daß wir immer
die Gemeinschaft hier in Tjörn verteidigen werden. Wir werden die
besten und kriegerischsten Truppen zur Verfügung stellen, an dem
Tag, an dem das Schicksal den Weg der Gemeinschaft kreuzt. Das ist
meine Botschaft an sie."
" Das Versprechen werde ich mit Freude überbringen," sagte Zip
erleichtert. Sie hatte in allem, was ihr Leben ausmachte, genau das
getan, was das Beste für alle war. Wieder hatte er dieses
kitzelnde Gefühl unter dem Panzer, von einer fast göttlichen
Stärke in ihrem Wesen. " Jetzt haben wir das Offizielle erledigt,"
stellte sie trocken fest. "Ich versteh nicht ganz..." rief Zip.
" Das ist auch nicht so einfach zu verstehen," sagte sie langsam.
" Aber einen Rat werde ich dir geben, weil ich dir meine Freundschaft
versprochen habe und beabsichtige, dieses Versprechen zu halten."
Er studierte sie aufmerksam. Er fing an zu denken, daß sie in
Rätseln sprach, genau wie Spy.
" Im Innersten," flüsterte sie," bist du eine Hornisse. Und von
ihnen bist du wohl unter den Stärksten von allen. Vergiß das
nie!" Zip hielt einen Augenblick die Luft an. " Das könnte ich nie
vergessen," antwortete er dann.
" Die Zeiten sind flüchtig," flüsterte die junge Mutter." Und
genauso sind die Sitten. Du mußt die Gemeinschaft so lange
verteidigen, wie sie es wert ist, verteidigt zu werden. Aber deine Art
mußt du mit allem, was du zu geben hast verteidigen, bis zu
deinem letzten Atemzug."
" Ich werde darüber nachdenken, und versuchen, es zu verstehen,"
flüsterte er.
" Du wirst es verstehen, früher oder später," antwortete sie.
" Du kennst die Fähigkeiten, die unlösbar damit verbunden
sind, eine Ehrwürdige Mutter zu sein. Ich fühle Dinge, die
ich nicht sehen kann, außerhalb der Grenzen der Individuen. Ich
gebe dir das Größte, das ich dir geben kann, indem ich sage:
Ich werde all dem gegenüber treu sein, was du geleistet hast,
indem du dich weiter gestärkt hast , selbst jetzt..." Sie dachte
einen Moment nach. " Ich werde bereit sein, dich in dem Augenblick zu
schützen, wenn du es brauchst. Weil du eine Hornisse bist - so wie
ich. Alles andere ist unbeständig wie die Zeit..."
Den ganzen langen Weg zurück hatte er nur sie in seinen Gedanken.
Sie war weise - und sie war ein starker Faktor in der Reihe
Ehrwürdiger Mütter.
© Claus Bork, all rights reserved.